Die Oberfläche ist an manchen Stellen glatt, an anderen rissiger. Der ehemals helle Quarzit wurde durch Verschmutzungen dunkelgrau, fast schwarz, gefärbt. Mit über fünf Metern ist die Steinerne Jungfrau von Dölau der größte Menhir Mitteldeutschlands, sogar der zweitgrößte von Mitteleuropa, und wird nur überboten vom Saarländischen Gollenstein bei Blieskastel. Sie hebt sich deutlich von ihrer Umgebung ab und biegt man in den Jungfrauenweg ein, so ähnelt die Silhouette des Steins einer rasch ausschreitenden Frau mit wehendem Rock. Dies hat sowohl zu ihrem Namen als auch zu der Entstehung der Sage beigetragen. Der Größe nach kann es sich dabei nur um eine Riesin handeln. Doch dies ist nur eine von vielen Varianten der Sage, die man finden kann. Manche erzählen von einem Mädchen, manche von einer Riesin, wieder andere von einer Mutter mit Kindern, denn vor 150 Jahren sollen noch drei Steine an dieser Stelle gestanden haben.

Ein großer Stein

Die Steinerne Jungfrau ist eine der bekanntesten archäologischen und geologischen Denkmale der Region. Sie ist ein Menhir, oder auch Megalith genannt, griechisch für großer Stein. Megalithe wurden vor allem in der Jungsteinzeit (3.600-2.200 v. Chr.) in ganz Europa und auch im Mittelmeerraum aufgestellt. Archäologen sehen in ihnen ein prähistorisches Symbol für die Ahnen. Die stehenden Steine sollen als Ersatzleib und Sitz der Seele der Verstorbenen gedient haben. Man bat sie um Hilfe und Rat und erhoffte sich durch bestimmte Rituale und Opfer Antwort. Die Steinerne Jungfrau war solch ein Kultplatz. Blut soll dabei, als Sitz der Lebenskraft, eine Rolle gespielt haben, aber auch die Nägel, die heute noch zu sehen sind, zeugen von solchen Ritualen. Eingeschlagene Nägel sollen alles Böse wie Krankheiten und Unglück an den Stein bannen. Ein besonders großer Nagel steckt ungefähr auf Augenhöhe im Gestein der Jungfrau. Selbst im 19. Jahrhundert besaß dieser Ort eine religiöse Bedeutung. Bis in diese Zeit hinein wurden noch Messen von den drei Priestern der umgebenden Dörfer alljährlich abgehalten. Dies zeigt, dass über die Jahrtausende hinweg die Steinerne Jungfrau bei der lokalen Bevölkerung nicht an Bedeutung verlor.

Am Rande von Dölau

Heute wirkt der große Stein aus grauer Vorzeit etwas fehl am Platz direkt neben den kleinen Gartenanlagen von Dölau und in der Ferne sieht man Windkraftanlagen und ein Gewerbegebiet. Er ist ein Relikt aus einer anderen Zeit. Vor mehr als 4.000 Jahren wurde der Stein genau hier aufgestellt und nicht verrückt. Die Jungfrau war ursprünglich auch mindestens zwei Meter höher. Ende des 19. Jahrhunderts sind Teile abgestürzt und heute als kleinere Steinbrocken neben der Jungfrau zu finden. Dem Besucher eröffnet sich von hier aus auch eine schöne Aussicht über Dölau und eine kleine Fahrradtour durch die Heide lohnt sich bei schönem Wetter durchaus. Die Steinerne Jungfrau ist Teil der Routen der Archäologie im westlichen Saalekreis, die im gleichnamigen Buch des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie zusammengefasst sind und interessante archäologische Stätten um Halle vorstellen.

Steinerne Jungfrau

Interview

„Ein stehender Stein ist etwas Besonderes, ein Symbolort das über die Zeiten hinweg. Menhire waren für die Gemeinschaft ein zentraler Punkt in der Landschaft, der sicherlich eine religiöse, aber bestimmt auch eine gesellschaftliche Bedeutung hatte. Ganz genau wissen wir das leider nicht, da es keine schriftlichen Quellen gibt, aber das macht es für mich so faszinierend.

Die Steine an sich können wir nicht genau datieren. Die Datierung geschieht daher häufig über Vergleiche mit Regionen, wo sie besser in Siedlungskontexte eingebunden sind wie in der Bretagne oder auf der Iberischen Halbinsel. Das ist hier in Sachsen-Anhalt schwierig, aber sie werden touristisch in Wanderwege eingebunden und erschlossen. Das ist gut, so werden die Orte nicht vergessen und bleiben erhalten.“

Prof. Dr. Francois BertemesAn der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrt Prof. Dr. François Bertemes Prähistorische Archäologie.


Die Steinerne Jungfrau von Dölau


Aus: Manfred Lemmer (1989): Der Saalaffe. Sagen aus Halle und Umgebung. Halle: VEB Postreiterverlag, S. 80/81.

„Bei Dölau steht mitten auf dem Feld ein großer Stein, der die Gestalt eines Mädchens hat. Der ist so entstanden:

Vor Zeiten war einmal ein Fräulein unterwegs von Dölau, wo sie Brote eingekauft hatte, nach Lettin. Da wurde sie von einem Gewitter überrascht, und der starke Regen verwandelte den Boden bald in Morast. An dieser Stelle konnte sie nun nicht weiterkommen, ohne ihr Kleid zu beschmutzen. Sie blieb stehen und überlegte, was zu tun sei. Doch dann warf sie kurz entschlossen eines ihrer Brote in die Pfütze und benutzte es als Trittstein.

Aber für diesen Frevel wurde sie unverzüglich bestraft. Sie erstarrte nämlich zur Steinsäule und warnt so bis zum heutigen Tag alle davor, das Brot geringzuachten.“

Steckbrief

Objekt: Menhir, Nagelstein
Material: Grauweißer Braunkohlenquarzit
Maße BHT: 260 x 580 x 155 cm
Ort: Halle (Saale), OT Dölau
Anbindung:

  • Parkmöglichkeit: Parken ist am Straßenrand vom Jungfrauenweg möglich.
  • ÖPNV: Die Straßenbahnlinie 7 nimmt man bis zur Endhaltestelle Kröllwitz und dann Buslinie 21 Richtung Am Bruchsee bis Dölau.

Koordinaten: N 51.51939 E 011.8795
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